Wiener „Akademikerball“: Wie man Gewalt provoziert

Die Demos zum „Akademikerball“ oder Wie man den Rechtsstaat (von Recht) zum Rechtsstaat (von rechts) macht.

Wir kennen das aus der Medizin, und auch da funktioniert es nicht: Wenn der Organismus einmal krank ist, dann muss man invasiv eingreifen. Etwa bei Krebs mit dem Messer, mit Chemo- und Strahlentherapie. Nun weiß man aber, dass Krebs eine Zivilisationskrankheit ist und zu einem großen Teil durch Lebensstilmodifikationen eingedämmt werden könnte. Prävention wäre damit die einzig richtige Strategie.

Die Demos zum sogenannten „Akademikerball“ des rechten Reichsviertels (den Wählern und Innen sei gedankt) sind wieder einmal eskaliert. Die Polizei, Vertreterin des Rechts- oder Rechtsstaates, hat das vorausgesehen und das Ihrige zur Eskalation beigetragen. Eine weiträumige Sperrzone trieb die Demonstranten tiefer in die Wiener Innenstadt (die dortigen Geschäftsleute sind sicher dafür dankbar), wo Auslagen zu Bruche gingen und Autos beschädigt wurden. Und die Demo um 19.00 für aufgelöst zu erklären ist halt so als würde man ein Krebsgeschwür behandeln wollen, indem man dem Operateur verbietet weiter zu operieren.

Selbst die Polizei bestätigte, dass die Demo bis dahin friedlich verlaufen ist. Das sollte auch einmal festgehalten werden. Dass solche Demos immer Randalierer anziehen, ist nichts Neues und hat meist nichts mit dem Demonstrationsgrund zu tun. Das zeigt sich auch daran, dass die Zerstörungen in der Innenstadt, ebenfalls laut Polizeiangaben, ziemlich ziellos vonstatten gingen. Da ging es rein ums Zerstören und nicht um Rechts oder Links. Bitte bei den aktuellen und künftigen Einflüsterungsversuchen H.C. Straches daran zu denken.

Dass sich unser Rechtsstaat (von Recht) immer mehr einem Rechtsstaat (von rechts) nähert, zeigt auf jämmerliche Art auch die Behinderung der Berichterstattung durch die Medien. Die sind in der heutigen Zeit ohnehin schon behindert genug (durch kontraproduktive Sparmaßnahmen, dadurch die daraus folgende negative Selektion usw.), aber diese Einschränkung der Pressefreiheit gibt es sonst nur in östlichen Diktaturen. Es ist beschämend, dass sich Journalisten in Syrien freier bewegen können als in der Wiener Innenstadt.

Kurz: Ausschreitungen wären nicht zu verhindern gewesen, aber mit einem – sagen wir – einfühlsameren Verhalten der Polizei hätten sich die unerwünschten Nebenwirkungen eher in Grenzen gehalten.

Aber die eigentliche Frechheit bei der Geschichte ist die, dass die Politik dabei friedlich zuschaut, ohne ihre Gehirnwindungen, und zwar vorher, in Bewegung gesetzt zu haben. Im Gegensatz zur Medizin wäre hier Prävention denkbar einfach: Geschichtsträchtige Räumlichkeiten der Republik Österreich dürfen nicht von einer rechten Faschingsgesellschaft missbraucht werden. Das ist kein Angriff auf die Versammlungsfreiheit, wie uns die FPÖ einreden will, sondern – um in deren Terminologie zu bleiben – eine Sache des Anstandes. Sollen sie sich versammeln, wo immer sie wollen, aber nicht in der Wiener Hofburg. Niemand nimmt ihnen die Freiheit, ihre rechtslastige Gesinnung zu demonstrieren, im Gegenteil, die Besucher dieses sogenannten Akademikerballes beweisen zur Genüge und vor aller Augen, wes Ungeistes Kind diese Versammlung ist. Das den verblendeten Wählern und Wählerinnen vor Augen zu halten, wäre ja sogar eine ganz gute Sache.

Daher mein dringlicher Apell an die Regierenden: Lassen Sie diese unselige Veranstaltung die letzte in den Räumlichkeiten der Wiener Hofburg sein! Die Horde wird andere Räume finden und kein Hahn wird danach krähen. Und bitte nicht die Ausrede, dass die Republik nicht Veranstalter der Hofburgevents ist. Es handelt sich immer noch um Räumlichkeiten der Republik und nicht einer privaten Betreibergesellschaft. Eine Regierung, die das nicht schafft, sollte zurücktreten. Eine Regierung, die das nicht schaffen will, erst recht.

Über Robert Harsieber

Philosoph, Wissenschaftsjournalist, Verleger (RHVerlag), Mitarbeit an verschiedenen Projekten. Philosophische Praxis: Oft geht es darum, Menschen dabei zu helfen, ihr eigenes Weltbild zu erkunden. Interesse: Welt- und Menschenbilder, insbesondere die Frage eines zeitgemäßen Welt- und Menschenbildes.
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