Das heutige „moderne“ Weltbild ist geprägt von der Naturwissenschaft – und hat aus diesem Grund zwei ganz gravierende Mängel: Erstens geht es um die Naturwissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts, alles Weitere (Relativitätstheorie, Quantentheorie) ist noch nicht in unser Weltbild eingeflossen. Zweitens ist uns nicht bewusst, dass Naturwissenschaft nichts mit der Natur zu tun hat, sondern nur ständig an der Natur geprüft werden kann.
Spätestens seit Beginn der Naturwissenschaft pflegen wir eine rationale Begriffssprache. Alles wird definiert (d.h. eingegrenzt), alles muss eindeutig sein, alles muss widerspruchsfrei sein. Diese westliche Logik geht auf Aristoteles zurück und wurde vom naturwissenschaftlichen Denken zunächst nur ergänzt. Wissenschaftliche Ergebnisse müssen z.B. reproduzierbar sein. Diese Sprache ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir dabei nicht einmal bemerken, dass sie nichts mit der Natur zu tun hat. Logik, das sind Denkgesetze und nicht Naturgesetze.
Nach Herbert Pietschmann beruht die Naturwissenschaft und ihre Methode auf den Axiomen der Logik:
Eindeutigkeit
Widerspruchsfreiheit
kausale Begründbarkeit
und des Experiments:
Reproduzierbarkeit
Quantifikation
Analyse
Unsere Logik erfordert Eindeutigkeit; im wirklichen Leben ist sehr vieles nicht eindeutig, und wo es uns eindeutig erscheint, verdrängen wir meist etwas.
Unsere Logik erfordert Widerspruchsfreiheit; wäre es im Leben auch so, könnten wir uns endlose Diskussionen ersparen; das Leben lebt direkt vom Widerspruch.
Unsere Logik erfordert Begründbarkeit; jeder weiß aus Erfahrung, dass er/sie nicht einmal die eigenen Entscheidungen immer und Kreativität nie begründen kann.
Unsere Logik erfordert, dass wir analysieren, d.h. vereinfachen. Die Natur aber ist nicht einfach, sondern überaus komplex.
Unsere naturwissenschaftliche Logik erfordert, dass wir alles quantifizieren. Auch das funktioniert nur teilweise. Die Farbe Rot kann zwar als eine bestimmte Wellenlänge dargestellt werden, doch was für uns Rot bedeutet, sagt die Wellenlänge nicht.
Und reproduzieren kann man ein Experiment nur, wenn man es extrem vereinfacht. Im normalen, natürlich komplexen Leben ist daher so gut wie nichts reproduzierbar.
Der Denkrahmen des Abendlandes (nach Herbert Pietschmann)
schießt ein: schließt aus:
Reproduzierbares Einmaliges
Quantifikation Qualitäten
Analyse Synthese, Vernetzung
Eindeutigkeit Offenes, Buntes
Widerspruch Lebendiges, Konflikte
Kausale Begründung Wollen, Kreativität
Naturwissenschaft ist die ungemein erfolgreiche Methode, Materie in Raum und Zeit zu erforschen. Wenn es um Lebendiges geht, ist naturwissenschaftliches Denken nicht zuständig. Ludwig Wittgenstein sagt es in seinem Tractatus (6,52) in einem Satz: „Wir fühlen, dass selbst, wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.“
Naturwissenschaft untersucht das für alle Menschen in gleicher Weise Gültige, und das ist Materie in Raum und Zeit. Lebendiges ist etwas völlig anderes und daher von der Naturwissenschaft ausgeschlossen. Ein Elektron hier und ein Elektron am Rande des Universums sind völlig identisch. Aber es gibt keine zwei identischen Schneeflocken, erst recht keine identischen Menschen. Selbst eineiige Zwillinge sind unterschiedlich, und selbst ein Klon ist keine identische Kopie.
Naturwissenschaft als Ideologie
Naturwissenschaft ist eine Methode, Fragen an die Natur zu stellen, wobei jede Antwort neue Fragen aufwirft. Aus dieser Methode haben wir – vom Erfolg der Methode verführt – ein Weltbild gezimmert, bzw. unser Weltbild im Sinne dieser Methode unzulässig reduziert, womit Naturwissenschaft zur Ideologie degeneriert ist. Naturwissenschaft ist eine Methode, einen Ausschnitt der Wirklichkeit zu erforschen. Diesen Ausschnitt als unsere Welt zu bezeichnen (Materialismus), ist unzulässig und naiv.
Wie aus der obigen Darstellung des westlichen Denkrahmens hervorgeht, wird dadurch alles Lebendige, Einmalige, Komplexe, Kreative, nicht Reproduzierbare ausgeschlossen – nämlich die Welt, in der wir leben.
Naturwissenschaft vereinfacht, um berechenbar zu machen. D.h. aber auch, dass Experimente die natürliche Komplexität so weit vereinfachen, dass eine Konstellation untersucht wird, die so in der Natur gar nicht vorkommt. Es müssen Parameter so weit reduziert werden, dass sie überschaubar und berechenbar werden. In der freien Natur wechselwirken diese Parameter mit unzähligen anderen, nichts ist so isoliert wie im Experiment. Die naturwissenschaftliche Methode untersucht somit nicht die Natur, sondern isolierte Situationen, die so in der Natur nicht vorkommen. Sie dienen aber der Theoriebildung, auf Basis derer man Voraussagen machen kann. Und dann versucht man zu beobachten, ob diese Voraussagen zutreffen oder nicht.
Soweit die ungemein bewährte Methode. Für ein allgemeines Weltbild ist das aber völlig ungeeignet, denn – siehe Wittgenstein – unsere Lebensprobleme werden dadurch nicht einmal berührt. Ein Weltbild, in dem das eigentlich Menschliche ausgeschlossen bleibt, kann aber nicht die Lösung sein. Statt zu sagen, hier haben wir eine wunderbare Methode, um das Materielle – das für alle Menschen in gleicher Weise Gültige – zu untersuchen (und für alles andere haben wir verschiedene andere Methoden), haben wir uns an den bedingten Reflex gewöhnt, dass dieses Materielle „die Welt“ ist. Das könnte zwar jedes Kleinkind widerlegen, aber wir haben und schon derart daran fixiert, dass wir wie die Menschen in Platons Höhle (durch diese Ideologie) gebunden vor den Schatten an der Höhlenmauer sitzen und diese Schatten für die ganze Wirklichkeit halten.
Dadurch sind wir selbst (geistig) unbeweglich und verspotten jeden, der sich von den Fesseln losgemacht hat und uns erklären will, dass es auch Lebendiges, Einmaliges, Komplexes, Kreatives, Unwiederholbares gibt – dass es eine Welt gibt, und nicht nur Schatten.
Oh wie schön geschrieben! Mann o Mann, das sind ja MEINE Gedanken auch. Sie liegen in der Luft, wie Schneeflocken, diese bestürzenden Erkenntnisse über den Mangel an „Lebensvitaminen“ in der Wissenschaft. Die ja zu allerlei Machenschaften (ver)führte, aber nur ansatzweise und nicht in ihrer verborgenen Stossrichtung, zu sozialeren Gesellschaften. Im Gegenteil! Denn die „verborgene Stossrichtung“ der Wissenschaft ist via ihre Früchte (Produkte) ihren SINN zu begründen. Und klar, dieser „Hintersinn“ der Wissenschaft ist, auch ihren (Selbst)sinn quantifizieren zu können. Also: Erkenntnis (technisch) – Idee (technisch) – Produkt (technisch) – Wert (technisch) = Geld. Quantifizierbar, verlinkbar mit dem „Ursinn“ der Wissenschaft…. Leute bei Laune und in Arbeit zu halten, die lieber rumstudieren, als zupacken. Das war böse, ich wiss.Aber doch trifft diese Einschätzung gerade heute mehr zu, denn je. Der moderne westliche Wissenschaftler lebet im „elfenbeinigsten“ aller Türme. Er wirft seinen Lichtstrahl auf Welten, die von der Lebenswelt so weit entfernt liegen, dass man sich irgendwann fragt, wohin die REISE geht, wenn wir weiter die Wissenschaft als die Navigatoren einsetzen auf dem Schiff des Westens. Des Westens, der die ganze Welt geworden ist, minus ein paar Inseln.
Das „elfenbeintürmische“ der Wissenschaft heutzutage, ist ihre einseitige Verführung, dass man glaubt, sie verstehen zu müssen, dass man die Relativitätstheorie jedem Melker einbläuen „sollte“ (gemäss meiner „Begründnis-kaskade“: Man KÖNNTE… – Man SOLLTE…. – Man MUSS!), ….damit wir mit den Augen im Weltall rumirren, während die selbe Elfenbeinwissenschaft uns neue Kisten unter den Arsch schiebt, neue Apparate in die Hosentasche steckt, neue Knöpfe hinhält, auf die gefälligst zu drücken ist, neuen Food in unsere Fressnäpfe kippt, neue Ringbeschleuniger unter unsere Keller bohrt. Gegen Berechnung, fürwahr…
Hätte sie nicht den Wert des Geldes am Schluss, wie könnte sie messen, was ihre eigentliche Begründung ist?