„Glauben – Wie geht das? Wege zur Fülle des Lebens“ von Matthias Beck
Nach seinem viel beachteten Buch „Leben – Wie geht das?“ hat Matthias Beck, Pharmazeut, Arzt, Philosoph, Theologe und Priester, ein Buch vorgelegt, in dem es um die Frage geht, wie man Glauben in der heutigen Zeit vermitteln kann. Der Autor beweist: Man kann!
Kirche und Christentum werden heute viel diskutiert, das Spektrum reicht von den Missbrauchsfällen bis zum Staunen über den neuen Papst. Viel notwendiger wäre es aber, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Dazu ist es hilfreich, hinter die Kulissen zu schauen. Dem stehen eben diese Kulissen im Weg: Falsche Gottesbilder stehen nicht nur einem vernünftigen Glauben im Wege, sondern führen andererseits auch dazu, dass Kritiker etwas kritisieren, was eigentlich nicht Christentum ist.
So wird der Kirche – und damit dem Christentum – vorgeworfen, die Menschen unterdrückt und abhängig gemacht zu haben, was ja auch stimmt, aber das Christentum ist genau das Gegenteil. Es ist der Weg zur Befreiung des Einzelnen, es geht um Lebensentfaltung, es geht um den Menschen. Es geht darum, frei zu werden von falschen Abhängigkeiten, von äußeren Unterdrückungen und inneren Blockaden. Es geht außerdem nicht um Gesetze, sondern um Beziehung. Das Christentum ist keine Gesetzesreligion, sondern eine Beziehungsreligion. Beziehung in dreifaltiger Weise: Beziehung zum Anderen, zu sich selbst und zum Ganzen, zu Gott. Und das geht nur in dieser Dreifaltigkeit: Als isolierte Wesen finden wir nicht die Fülle des Lebens. Wir sind eingebettet in ein soziales Gefüge, ohne den Anderen sind wir nicht ganz. Und wir sind eingebettet in einen größeren Horizont, ohne die Beziehung und Rückbindung (religio) zu unserem Wesensgrund finden wir auch nicht zu uns selbst. „Christentum heißt, etwas aus dem Leben zu machen, es zur Entfaltung zu bringen.“
Wichtig wäre es – für Insider genauso wie für Kritiker – sich von falschen Gottesbildern zu lösen. „Du sollst dir kein Bild von Gott machen!“ Der Urgrund ist nicht in menschliche Vorstellungen zu pressen. Die Gottesbilder haben sich in der Geschichte immer wieder geändert, sie ändern sich auch in der Biografie des Einzelnen. Das sei den Kritikern ans Herz gelegt: Meistens lehnen sie einen Gott ab, den sich der Mensch selbst gemacht hat und den es ohnehin nicht gibt. Beck verweist auf Dietrich Bonhoeffer, der betont hat: den Gott, den es gibt, gibt es nicht. Nach Beck ist es eine lebenslange Aufgabe, sich immer wieder von diesen Bildern zu verabschieden. Es geht vielmehr und das Absolute, den letzten Grund, den Logos, der aber spricht und handelt, „bekannt“ und unbekannt zugleich, und der auch der innerste Kern des Menschen ist (Augustinus: „Du bist mir innerlicher, als ich es mir selbst bin“).
Die Bibel berichtet von einer Evolution des Menschen durch Gott, der in die Geschichte eingreift. So ist die zentrale Erzählung des Alten Testaments der Exodus, die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft; und im Neuen Testament geht es um die Erlösung, die Befreiung aus allen Abhängigkeiten (Paulus: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit“). Auf die äußere folgt die innere Befreiung. Allerdings muss diese Freiheit immer wieder erkämpft werden und führt auch durch die Wüste. Und es scheint, so Matthias Beck, dass sie erst jetzt langsam beim Menschen ankommt.
Ein Reizthema ist immer wieder die „Sünde“. Doch nach dem bisher Dargestellten ist klar, dass es sich dabei nicht in erster Linie um eine Gesetzesübertretung handelt, sondern um eine Beziehungsstörung, um all das, was der Beziehung zum Ganzen, zu Gott, zum Anderen und zu sich selbst, der Selbstwerdung entgegensteht. Der Mensch verliert seine Bestimmung, wenn er sich weigert, er selbst zu werden, und das geht nur in der gelebten Beziehung zum Anderen und zum Ganzen. Beck zitiert Soren Kierkegaard: „Sünde ist: vor Gott verzweifelt nicht man selbst sein wollen oder vor Gott man selbst sein wollen.“ Und etwas ausführlicher: „Diese Form von Verzweiflung ist: verzweifelt nicht man selbst sein wollen, oder noch niedriger: verzweifelt nicht ein Selbst sein wollen, oder am allerniedrigsten: verzweifelt ein anderer sein wollen als man selbst, ein neues Selbst sich wünschen.“ Und dann sagt Kierkegaard etwas, das auch dem entgegensteht, was man der Kirche (teils zu Recht) vorwirft: dass „der Grund, warum der Mensch eigentlich am Christentum Ärgernis nimmt, darin liegt, dass es zu hoch ist, […] weil es den Menschen zu etwas Außerordentlichem machen will.“
Besonders interessant sind auch die Kapitel über Christentum und Wissenschaft. Dabei geht es nicht nur um die Evolutionstheorie, die selbstverständlich mit dem christlichen Weltbild vereinbar ist, sondern auch um Medizin und Psychologie. Im Umgang der Kirche mit den Wissenschaften ist vieles verkehrt gelaufen. Wissenschaften erforschen Teilbereiche, Ausschnitte der Wirklichkeit und können nie das Ganze erklären. Um diesem näher zu kommen, braucht es die Zusammenschau der Wissenschaften, auch zusammen mit Philosophie und Theologie, denn das Ganze ragt in die Unendlichkeit und das Absolute hinein. „Das Christentum erschließt dem Menschen einen großen Horizont: den Blick in sein Inneres, auf den anderen Menschen und die Welt sowie weit darüber hinaus in das, was man Ewigkeit, Himmel oder Sein bei Gott nennt.“
Daher spricht nach Beck nur eines gegen das Christentum: dass – vermittelt durch falsche Gottesbilder, gepaart mit Macht, Angst und Unfreiheit – viele nicht wissen, was Christentum ist. Und warum sollte heute jemand Christ werden? „Weil mit einem richtig verstandenen Christentum eine größere Chance besteht, dass das Leben zur Fülle kommt…“ Bleibt die Frage, was plausibler erscheint: „die kleine Welt des rein Irdischen oder die Öffnung auf eine ganz andere Dimension des Seins.“
Matthias Beck
Glauben – Wie geht das? Wege zur Fülle des Lebens
Verlag Styria premium 2013
264 Seiten, Hardcover mit SU
Preis: € 19,99
ISBN 978-3-222-13428-9
Hat dies auf Brückenbau rebloggt.